Star Trek: Deep Space Nine | The Reckoning (6×21)

„If the Evil One is destroyed it will bring a thousand years of peace – the Golden Age of Bajor.“

Der Tag der Abrechnung steht bevor, und als Schauplatz dieses Kampfes haben die Propheten die Station auserkoren. Spoiler!

If you talk to the Prophets again, ask for a dictionary

In der versunkenen Stadt B’hala auf Bajor wird eine Steintafel entdeckt, deren Inschrift sich direkt an den Abgesandten richtet. Sisko nimmt sie kurzentschlossen mit nach Deep Space Nine, wo Dax die Inschrift entschlüsseln soll. Sehr zum Ärger von Kai Winn, die kurz darauf ebenfalls auf die Station kommt und die Rückführung des wertvollen Artefakts fordert. Sisko gibt schließlich nach, doch dann zerstört er die Steintafel in einem Gefühlsausbruch und befreit dabei zwei Energiewesen. Es stellt sich heraus, dass es sich um einen Propheten und einen Pah-Wraith handelt, die zum ultimativen Kampf Gut gegen Böse antreten. Der Prophet wählt Kira als Gefäß, der Pah-Wraith jedoch ausgerechnet Siskos Sohn Jake.

Ein bisschen viel Fantasy

Ich bin ehrlicherweise kein großer Fan des Propheten/Pah-Wraith-Konflikts. Dass das Wurmloch und seine Bewohner sowohl mythologisch als auch wissenschaftlich erklärbar sind, war für mich immer eine der größten Stärken der Geschichte, doch durch die Pah-Wraiths driftet das alles sehr in Fantasy ab. Nichtsdestotrotz ist „The Reckoning“ eine atmosphärisch gelungene Folge, die einige interessante Fragen zum Thema Glauben aufwirft. Und da der Konflikt am Ende mitnichten gelöst ist, werden wir darauf definitiv noch mal zurückkommen.

Prophet: „The Reckoning. It is time.“
Sisko: „The Reckoning – what is it?“
Prophet: „The end, or the beginning.“

Ist Jake der Preis, den die Propheten verlangen?

Wir haben im Verlauf der Serie miterleben können, wie Sisko in seine Rolle als Abgesandter hineinwächst. Obwohl er zugibt, dass es nicht immer alles versteht, vertraut er den Wesen, die die Bajoraner als Propheten verehren. Das kann im weitesten Sinne als Glaube interpretiert werden, auch wenn er auf einem anderen Fundament fußt als beispielsweise bei Kira oder Kai Winn. Vor allem geht dieser Glaube weit genug, dass Sisko sogar bereit ist, seinen Sohn zu opfern.

Die interessantere Frage lautet: Wieso Jake? Die Propheten haben Kira ausgewählt, weil ihr Glaube stark und sie bereit ist, sich dafür zu opfern. Was aber hat sich der Pah-Wraith dabei gedacht, als er den Sohn des Abgesandten ausgewählt hat? Sicher, Jake war nie glücklich mit der Rolle seines Vaters in der bajoranischen Mythologie, aber er hasst die Propheten deswegen nicht. Und es wäre doch anzunehmen, dass der Pah-Wraith ebenfalls jemanden wählt, der seine Interessen vertritt.

Oder haben die Propheten ihren Gegner am Ende selbst ausgewählt? In „Sacrifice of Angels“ betonten sie, dass ihr Eingreifen in den Krieg einen Preis hat. Einen Preis, den Sisko persönlich wird zahlen müssen. So gesehen sollte Sisko vielleicht gar nicht geprüft werden, vielmehr wird hier die angekündigte Buße eingefordert. Dass der Preis schlussendlich nicht gezahlt wird, verdankt Sisko einzig Kai Winn, aber ist er damit wirklich vom Haken?

Kai Winn fürchtet um ihren Einfluss

Gleichzeitig stellt sich die Frage, was sich Kai Winn eigentlich davon verspricht, den Kampf gegen den Willen der Propheten abzubrechen. Die Tatsache, dass sie zwar die höchste spirituelle Instanz ihres Volkes ist, von ihren Göttern aber kontinuierlich übergangen wird, zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung. Ein Außenstehender ist Abgesandter geworden und hat ihr viel von ihrem Rampenlicht geraubt. Und nun, als die Propheten jemanden brauchen, der für sie eintritt, wählen sie nicht sie, sondern Kira.

Enttäuschung ist vermutlich trotzdem nur die halbe Wahrheit. Winn erklärt an einer Stelle, wenn die Propheten den Kampf gewinnen und Bajors „Goldenes Zeitalter“ beginnt, „there will be no need for vedeks or kais or even Emissaries“. Was nichts anderes heißt, als dass Kai Winn der Bedeutungslosigkeit anheim fiele. Das ist zweifellos ihre größte Angst, deshalb nimmt sie es auch in Kauf, dass sie Bajor vielleicht ins Chaos stürzt. Immerhin, in einer religiösen Krise könnte sie ihre geschrumpfte Macht wieder ausbauen.

Sisko: „I just had this uncontrollable urge to smash the tablet.“
Dax: „Oh, I get those urges all the time. Of course, I never act on them.“

Leichtfertiger Umgang mit fremdem Kulturgut

Eine andere Thematik, die unter all dem Mysterium etwas untergeht, ist die des Umgangs mit archäologischen Funden. So unangenehm mir Kai Winn auch ist, in dem Punkt muss ich ihr zustimmen: Sisko hatte kein Recht, die Steintafel einfach mit auf die Station zu nehmen. Das war reiner Egoismus, denn es gibt keinen einzigen rationalen Grund, warum er sie nicht vor Ort studieren konnte.

Ganz zu schweigen davon, dass Dax selber zugibt, keine Expertin auf dem Gebiet zu sein („that confirms it: it’s a slab of stone with some writing on it“). Die Tafel wäre in den Händen bajoranischer Wissenschaftler viel besser aufgehoben, die vielleicht auch schneller drauf gekommen wären, was sie aussagt. Davon, dass Sisko das Artefakt einfach zerstört, will ich gar nicht erst anfangen. Das blutete mir als Archäologin das Herz.

Reckoned Notes

• Geht das nur mir so oder fühlen sich Kira und Odo als frisch verliebtes Paar irgendwie komisch an? Bemerkenswert fand ich allerdings, dass Odo Kiras Glauben unhinterfragt anerkennt – inklusive aller Konsequenzen.
• Die Pah-Wraiths sind uns erstmals in der fünften Staffel in „The Assignment“ begegnet, als einer von ihnen Keiko übernommen hat. Neu hingegen sind die Kosst Amojan, Pah-Wraiths, die aus dem himmlischen Tempel verstoßen wurden.
• Dax ist sich bei der Übersetzung nicht sicher: „During the Reckoning, the Bajorans will either suffer horribly or eat fruit.“ Das ist vor allem deshalb so lustig, weil Kira in einer Szene am Anfang der Folge einen Fruchtsalat isst.

3 von 5 Bananen oder Apokalypsen, je nach Interpretation.

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