Re:visited | „True Blood“

„Vampires are not immortal. They are just harder to kill.“
Ich muss es wohl Anne Rice anlasten, dass mich Vampire seit jeher faszinieren. Und noch während ich das schreibe, befällt mich eine gewisse Besorgnis, weil ich offenbar eine Vorliebe für blutige Genres habe (siehe mein Artikel über „Emergency Room“). Was genau es ist, das mich so für Vampire einnimmt, ist schwer zu fassen. Denn obwohl ich „böse“ Vampire spannender finde als solche, die in Selbstmitleid zerfließen oder im Sonnenlicht funkeln, ist es nicht der Horror, der mich fesselt. Ich denke, es ist eher die Vorstellung einer unsterblichen Existenz, des ruhelosen Wanderns durch die Jahrtausende.
Bei aller Liebe für das Genre habe ich dennoch vieles bewusst nicht geschaut. Das ganze Subgenre der Teenie-Vampirserien beispielsweise habe ich mit Ausnahme des Klassikers „Buffy“ stets ignoriert. Eher zog mich das erwachsenere „True Blood“ an, das weder mit Sexszenen noch mit Kunstblut geizte. Von 2008 bis 2014 verfolgte die Serie die Abenteuer von Kellnerin Sookie Stackhouse, die sich in den Vampir Bill Compton verliebt. Diesen Sommer habe ich einen Rewatch gewagt und die insgesamt sieben Staffeln ein zweites Mal geschaut. Ein Rückblick.
(Disclaimer: Ich habe die Serie stets nur im Originalton geschaut und verwende deshalb die englischen Bezeichnungen wie Fairie, Shifter usw. Außerdem sei an dieser Stelle der Form halber vor Spoilern gewarnt, da ich mir erlaube, zehn Jahre nach dem Finale auch auf Details einzugehen.)

Eine Welt voller Fabelwesen

„True Blood“ basiert auf Charlaine Harris’ Buchreihe „Sookie Stackhouse“, von der ich nur den ersten Band gelesen habe, weshalb ich hier auch ausschließlich auf die Serie eingehe. Nach allem, was ich gehört habe, weicht die Serie ohnehin nach und nach von der Vorlage ab. Die Geschichte spielt im fiktiven Städtchen Bon Temps im Staat Louisiana und erzählt von der jungen Sookie Stackhouse, die eine ungewöhnliche Fähigkeit besitzt: Sie kann Gedanken hören. Dann trifft sie den Vampir Bill Compton und stellt erstaunt fest, dass ihre Gabe bei Vampiren nicht funktioniert. Zum ersten Mal weiß sie nicht, was ihr Gegenüber denkt, und so verliebt sie sich schon bald in Bill.
Der ist beileibe nicht der einzige Vampir im Ort, denn nachdem es einer Firma gelungen ist, menschliches Blut zu synthetisieren („Tru Blood“), haben sie sich der Öffentlichkeit zu erkennen gegeben. (Die Wendung lautet sehr bildhaft „they came out of the coffin“.) Im Verlauf der Serie stellt sich heraus, dass es noch weitere übernatürliche Wesen gibt. Wir begegnen unter anderem Hexen, Shiftern, die sich in jedes Tier verwandeln können, und natürlich Werwölfen, die auf die Shifter etwas herabsehen. Und Sookie selbst erfährt irgendwann, dass ihre Fähigkeiten daher rühren, dass sie zur Hälfte Fairie ist.

Sex, Blut und Humor

Doch machen wir uns nichts vor, keiner hat die Serie für ihren (zunehmend verworrener werdenden) Plot geguckt. Was damals noch weitgehend neu und aufregend war, ist die heute für HBO so typische Freizügigkeit, die ehrlicherweise meist keine Handlungsrelevanz hat. Ja, man hatte sich eine Reihe wirklich gut gebauter Schauspieler und Schauspielerinnen gesichert, das wollte man verdammt noch mal ausführlichst zeigen! (Nicht zuletzt mit dem Kniff, dass Menschen, die das Blut eines Vampirs trinken, anschließend lebhafte Träume von ihm haben.)
Interessanterweise ließ das in den späteren Staffeln etwas nach, ebenso der Trash-Faktor, der für mich persönlich fast entscheidender war – vor allem beim Rewatch. So viele Vampirserien geben sich bierernst und voller epischer Dramatik, da ist die Unbekümmertheit von „True Blood“ geradezu erholsam. Hier zerplatzen getötete Vampire zu einer blubbernden Masse aus Blut und Gewebe, es gibt sogenannte Fangbanger, die in Vampir-Bars ihr Blut anbieten (gerne im Austausch für Sex), und Frauen dürfen auch noch gänzlich unironisch kreischen oder panisch durch dunkle Wälder rennen.
Ich glaube, die lange Laufzeit der Serie war tatsächlich ihr größtes Problem. Die Mythologie wurde immer komplexer, wodurch ganz automatisch viele Klischees auftraten, die man anfangs noch vermieden hat. Die zunächst mysteriöse „Authority“ nahm immer mehr Raum ein, bis das Ganze in einen Kult um Lilith als wahre Schöpferin gipfelte. Das heißt nicht, dass dieser Plot nicht auch seinen Reiz hatte, aber es nahm einfach überhand und ging zulasten des Humors. (Das melodramatische Finale ist Beleg dafür, doch dazu später mehr.)

Bill: „What are you?“


Sookie: „Well … I’m Sookie Stackhouse, and I’m a waitress.“

Sookie und ihre Männer

Die einzig wichtige Frage, auf die es bei „True Blood“ ankommt, lautet: Bist du Team Bill oder Team Eric? Nicht, dass das wirklich eine Frage ist, wer würde schon einen miesepetrigen Softie-Vampir, der seinen Müll trennt, einem blonden Wikinger-König mit eigener Bar vorziehen? Oder um es mit den Worten von Ginger zu sagen: „Eric Northman is nothing if he’s not pure fucking sex on a throne.“ Bill fand ich immer etwas ermüdend, erst nach der Trennung von Sookie haben sich die Autoren getraut, ihm auch eine (tatsächlich sehr) dunkle Seite zu geben.
Für mich war Eric jedenfalls von Anfang an die interessantere Figur, weil er in gewisser Weise den umgekehrten Weg ging. Er fing als „böser Junge“ an, der sich an keine Regeln hält, und zeigte erst mit der Zeit seine verwundbare Seite. Insbesondere die Beziehungen zu seinem „Maker“ Godric und seiner „Progeny“ Pam wurden sehr nuanciert charakterisiert. Dass Eric allerdings in der vierten Staffel erst sein Gedächtnis verlieren muss, damit Sookie sich in ihn verliebt, war etwas billig. Immerhin aber bestand diese Liebe weiter, selbst als sie nicht mehr zusammen waren.
Ich persönlich fand immer, dass man die Dreiecksbeziehung ziemlich gut gehändelt hat. Selbst Sookie gesteht irgendwann ein, dass sie sowohl Bill als auch Eric liebt. Einzig, dass die Konsequenz daraus lautete, dass sie besser mit keinem von beiden zusammen ist, leuchtete mir nie ganz ein. Vor allem führt das ab der fünften Staffel zu viel Frust, als sich Sookie erst mit einem Fairie-Vampir-Hybrid einlässt und dann auch noch mit Werwolf Alcide anbandelt, der ungefähr den Charme eines Holzklotzes hat. (Entschuldigung an den Holzklotz.)

Und sie lebten glücklich und zufrieden?

Auch wenn der Plot mit der Zeit überhand nahm, muss man „True Blood“ zugutehalten, dass sie in der finalen Staffel vieles richtig gemacht haben. Es wurden viele lose Enden verknüpft, vor allem aber erhielten nicht nur die Protagonisten einen Abschluss, sondern sogar die meisten Nebenfiguren, was wirklich selten ist. Und tatsächlich wurde in der fiktiven Welt von Bon Temps schließlich auch das erklärte Ziel erreicht, dass Menschen und Vampire friedlich zusammenleben.
Leider ist der Abschluss nicht in jeder Hinsicht gelungen, und das betrifft ausgerechnet das Trio Sookie, Bill und Eric. Nachdem in der sechsten Staffel ein Virus (Hepatitis-V) entwickelt wurde, das nur Vampire befällt und tötet, aber von Menschen übertragen wird, dreht sich die siebte Staffel vor allem um die Suche nach einem Heilmittel. Als das dann endlich gefunden ist, weigert sich Bill jedoch, es zu nutzen, weil er der Meinung ist, dass Sookie keine glückliche Beziehung haben wird, solange er noch lebt.
So weit, so gut, statt nun aber geduldig auf seinen Tod zu warten oder einfach in die Sonne zu gehen, bittet … ach was, nötigt Bill Sookie, ihn eigenhändig zu töten. Und weil sie dafür nicht ihre Fairie-Kräfte opfern will, muss sie ihm schließlich einen Pflock durchs Herz stoßen. Warum tut Bill das seiner angeblich großen Liebe an? Warum, nach allem, was sie wegen ihm schon durchgemacht hat, muss er sie am Ende noch zusätzlich traumatisieren? Ehrlich, ich habe das nicht verstanden, in meinen Augen ist das schlicht grausam.
Eric ergeht es insoweit besser, denn er wird geheilt und zieht mit Pam ein neues „Tru Blood“-Imperium auf, das beide unverschämt reich macht. Doch es ist kaum zu übersehen, dass er dadurch so einsam ist wie nie. Wenn in den letzten Szenen Menschen und Vampire zusammensitzen, essen und ausgelassen feiern, fehlen Eric und Pam. Und zwar nur Eric und Pam, während selbst unbedeutende Nebenfiguren anwesend sind. Ich weiß nicht, was die Intention dahinter war, doch für mich hat dieses Finale dadurch einen schalen Beigeschmack.

Mit Abstrichen ein Highlight des Genres

„True Blood“ ein zweites Mal zu schauen, war eine interessante Erfahrung. Ich hatte vergessen, wie viele bekannte Schauspieler damals in Nebenrollen mitgewirkt haben, darunter Michelle Forbes, Evan Rachel Wood und Rutger Hauer. Die Serie hat meine Begeisterung für das Vampir-Genre definitiv neu entfacht – nicht zuletzt, weil sie Zeit hatte, eine eigene Mythologie aufzubauen. Heute überlebt ja kaum eine Genre-Produktion lange genug, um so etwas wie Maker-Beziehungen oder Mensch/Vampir-Politik auch nur anzureißen.
Bei aller Begeisterung bin ich aber auch der Meinung, dass man den meisten Spaß hat, wenn man die ersten vier Staffeln schaut und dann aufhört. Auf diese Weise nimmt man die herrlich trashigen Plots und die übertrieben vielen Sexszenen mit, ohne sich mit dem anschließenden Drama auseinandersetzen zu müssen. (Und mit dem ganzen nervtötenden Pack-Gedöns der Werwölfe.)