Bücherstapel | Robert Charles Wilson „Axis“

„Es gibt nichts dort oben am Himmel, nichts außer einer gewaltigen operativen Logik, die eine Maschine mit der anderen verbindet. Diese Logik ist alt, sie ist komplex – aber sie ist kein Bewusstsein.“

Aufbruch in eine neue Welt

Gut dreißig Jahre sind vergangen, seit der Spin beendet wurde und sich ein riesiger Torbogen aus dem Meer erhoben hat, der auf direktem Wege zu einem anderen Planeten führt. Dreißig Jahre, in denen sich die Menschheit auf dieser Äquatoria genannten Welt ausgebreitet hat, ohne sie wirklich zu verstehen. Und so sind alle geschockt, als eines Tages ein gewaltiger Ascheregen niedergeht, bei dem es sich um Überreste der Hypothetischen zu handeln scheint.
Tief in der Wüste zieht eine Gruppe von Vierten einen Jungen namens Isaac auf, der mit den Hypothetischen in Kontakt treten soll. Das Vierte Lebensalter, eine genetische Veränderung, die auf dem Mars entwickelt wurde und das Leben verlängert, ist offiziell verboten, wird aber unter der Hand immer weiter verbreitet. Isaac, den das Medikament bereits im Mutterleib verändert hat, zieht es nach dem ersten Ascheregen nach Westen, doch gleichzeitig wird er von einem heftigen Fieber heimgesucht.
Das Resultat ihres Wirkens, das uns am deutlichsten vor Augen steht, ist natürlich der Torbogen im Indischen Ozean, der die Erde mit der Neuen Welt verbindet, sowie jener Bogen, der von der Neuen Welt zu einem anderen, weniger gastlichen Planeten führt – so geht es, jedenfalls nach unserem derzeitigen Kenntnisstand, weiter: eine Kette zunehmend lebensfeindlicher Welten, die uns aus Gründen, die wir bislang nicht verstehen, zur Verfügung gestellt wurden.

Die Suche nach Gott den Hypothetischen

Vielleicht fiele mein Urteil über Robert Charles Wilsons „Axis“ milder aus, wäre es nicht die Fortsetzung seines großartigen Romans „Spin“. Leider funktioniert das Buch aber weder als alleinstehende Story noch als Weitererzählung. Es wirkt eher wie ein Fragment, das zwar einige Eckpunkte des Vorgängers rekapituliert, dabei aber sehr oberflächlich bleibt und selbst für die eigene Handlung kein befriedigendes Ende liefert. Gleichzeitig werden viele der ursprünglichen Ideen fallen gelassen zugunsten einer esoterischen Suche nach Gott in Gestalt der Hypothetischen.
Was bei „Spin“ noch ganz wunderbar funktionierte, ist bei „Axis“ mein größter Kritikpunkt: Die Geschichte konzentriert sich zu stark auf die Figuren. Der Unterschied ist, dass wir uns im ersten Roman auf der Erde befanden und die Veränderung durch die Spinmembran am Leben der Protagonisten verfolgen konnten. Diesmal sind wir jedoch auf einem fremden Planeten, über den wir bis auf ein paar Nebensätze über die andersartige Flora und Fauna praktisch nichts erfahren. Es wird angedeutet, dass die Menschen in ihrer Hybris ihr altes Leben einfach auf einen neuen Planeten verpflanzt haben, ihn also genauso ausbeuten wie die Erde, aber Wilson hat spürbar kein Interesse an irgendeiner Form von Zivilisationskritik und vertieft das nicht weiter.
Stattdessen folgen wir einer Reihe von Charakteren, von denen keiner sonderlich interessant oder auch nur sympathisch ist. Lise Adams stellt Nachforschungen über ihren verschollenen Vater an, von dem sie glaubt, dass er sich der Vierten-Behandlung unterzogen hat. Wird Lise noch durch irgendetwas anderes definiert als ihre Suche? Nope. Sie trifft den Piloten Turk Findley – ein Losertyp, wie er im Buche steht –, und aus nicht weiter erkennbaren Gründen verlieben sich die zwei ineinander. Dann ist da noch die Vierten-Kolonie, in der Isaac lebt, aber das sind im Grunde alles Fanatiker, die davon besessen sind, dass die Hypothetischen ein Bewusstsein und somit auch einen Plan für die Menschheit haben.
Müsste ich mich festlegen, würde ich darauf tippen, dass das das Thema des Romans sein soll. In „Spin“ wurde die Idee nur noch kurz angerissen: Die Hypothetischen sind keine außerirdische Intelligenz im klassischen Sinne, sondern ein Netzwerk von sich selbst reproduzierenden Maschinen. Maschinen, die biologische Lebensformen wie die Menschen als ihre Schöpfer erkennen und deshalb vor der Selbstzerstörung bewahren wollen. So weit, so gut. Statt nun das zu vertiefen und vielleicht auch darüber zu sinnieren, ob sie Äquatoria künstlich erschaffen haben, jagen wir der Frage nach, ob die Hypothetischen nicht vielleicht doch eine allmächtige Wesenheit sind, also im Wesentlichen Gott. Wie lahm.
Endgültig verloren hat mich „Axis“ aber mit seinem Nicht-Ende. Die Story hört an der spannendsten Stelle einfach auf und wirft einem dann noch so ein paar Brocken hin, wer alles gestorben ist. Und der temporale Torbogen, der irgendwie Erinnerungen in die Zukunft schickt (wirklich verstanden hab ich das nicht), verschwindet wieder, nachdem Isaac ihn durchquert hat. Was wir auch nur noch in einem Nebensatz erfahren. Wie gesagt, als eigenständiger Roman ist „Axis“ eine Katastrophe, als Fortsetzung überflüssig. Bleibt nur die Hoffnung, dass der dritte Band alles irgendwie zu einem sinnvollen Ganzen zusammenschnürt.
2 von 5 Bananen aus Asche.