The Handmaid’s Tale | No Man’s Land (5×07)

„You wanna do this on your own? Do it the fuck alone!“

Während ihrer überstürzten Flucht setzen bei Serena die Wehen ein und sie muss sich wohl oder übel von June helfen lassen. Spoiler!

Are you in fucking labor?

Als bei Serena die Wehen einsetzen, bringt June sie zu einer verlassenen Scheune. Doch Serena will sich von ihr nicht helfen lassen, weil sie fürchtet, dass June die Gelegenheit nutzt, um sie und das Kind zu töten. Wütend rauscht June davon, kehrt aber bald darauf zurück, weil sie es einfach nicht über sich bringt, Serena in dieser Situation allein zu lassen. Stattdessen steht sie ihr bei der Geburt ihres Sohnes Noah bei. Serena, die weder in Gilead noch in Kanada eine Zukunft für sich sieht, bittet June, sich um den Jungen zu kümmern.

Serena und June machen ihren Frieden

Was für eine Folge! Als inoffizielle Fortsetzung von „Holly“ in der zweiten Staffel konzentriert sich „No Man’s Land“ erneut vollständig auf das Thema Mutterschaft. Wo aber June damals allein in der Wildnis war, findet Serena in June diesmal eine unerwartete Verbündete. So tief die Gräben zwischen den beiden Frauen auch sind, mit der Geburt von Noah finden sie auf eine Weise zusammen, wie das wohl nur Mütter können. Das ist (mit Ausnahme einiger Rückblenden) geradezu ein Kammerspiel und in seiner Intensität atemberaubend.

„And when she could no longer hide him, she built for him an arc of bullrushes and placed this child therein. Maybe I’m the arc, June. Maybe I’m the vessel. I carried my baby and delivered him, and I held him. Maybe that’s all that was meant for me in this life. Maybe it’s God’s will.“

Ein Ende der Gewaltspirale

Es ist ganz interessant, dass „No Man’s Land“ noch einmal den Bogen zu „Dear Offred“ schlägt, als June die Möglichkeit hatte, Serena zu erschießen, es aber nicht tat. Auf Serenas Frage, warum, antwortet June schlicht: „I didn’t want to.“ Das ist eine komplizierte Antwort, denn bei Gott, wenn June in den letzten Folgen eines wollte, dann Serena töten. Genau das macht das Ganze aber auch so stark, denn die Realität ist selten geradlinig und rational, sie ist komplex und kann sich innerhalb von Sekunden verändern.

Erinnern wir uns an „Morning“, die erste Folge der Staffel, als June stundenlang mit blutigen Händen herumlief. Fred zu töten, hat ihr so ein Gefühl von Überlegenheit verliehen, moralisch wie auch körperlich, dass sie dieses Blut fast wie eine Trophäe trug. Ganz anders hier, als sie das Auto aus dem Graben holt und ihr Blick auf ihre Hände fällt. Auf Serenas Blut, das nicht auf Gewalt zurückgeht, sondern auf das ganze Gegenteil, das Wunder des Lebens. Dieses Blut will June nicht an ihren Händen kleben haben.

Und ich glaube, genau hier ist die Schnittmenge, die Erklärung für „I didn’t want to“. Als sie Fred getötet hat, hat sich June für einen Augenblick selbst verloren und sich dem Hass hingegeben, den Gilead in jedem schürt, der diesem System ausgesetzt ist. Aber das war nicht June, wie sie wirklich ist. Diese Person findet sie erst wieder, als sie über das hinauswächst, was zwischen ihr und Serena steht, und gegenüber einer Frau in Not Menschlichkeit zeigt. Es ist die Abkehr von Auge um Auge, Zahn um Zahn, und letztendlich die einzige Art, wie die Wunden jemals heilen können.

Luke tut, was er für Junes Willen hält

Auch deshalb ist das Ende so erschütternd. Nachdem Luke lange nicht verstanden hat, warum seine Frau so eine Wut in sich trägt, glaubt er sich endlich auf einer Wellenlänge mit ihr. Glaubt er, in Junes Sinne zu handeln, als er die kanadischen Behörden informiert, weil sich Serena „illegal“ im Land aufhält. Er tut genau das, was seine Frau soeben überwunden hat, er zahlt Serena mit gleicher Münze heim, was sie ihr angetan hat – und nennt es auch noch „justice“. Es ist ein bitterer Schluss für eine im Kern positive Folge, und wir können gespannt sein, wie sich das auf die Beziehung von June und Luke auswirkt.

„Look at your baby. You are the only person in the whole world that he knows. You are the only familiar smell, you are the only voice he recognizes, you love him, and you wanted him so much. You’re his mother, and he belongs with you. That is God’s will.“

Serena versteht endlich das Band zwischen Mutter und Kind

Mir ist eigentlich schon seit Beginn der Serie klar, dass Mütter viele der Themen ganz anders wahrnehmen als ich. Für mich bleibt das trotz allem sehr abstrakt, was ich manchmal etwas schade finde. Das trifft auch auf „No Man’s Land“ zu, wo sich die Solidarität unter Frauen vor allem auf die Mutterschaft als verbindendes Element stützt. Für Serena findet hier ein radikaler Wechsel der Perspektive statt, denn erst als sie ihren Sohn in den Armen hält, kann sie wirklich verstehen und bis in die Knochen spüren, was es hieße, dieses Kind weggeben zu müssen.

Dabei ist spannend, dass sie zwar Angst davor hat, dass ihr die Wheelers Noah wegnehmen, gleichzeitig aber bereit ist, ihn June zu überlassen. Es ist die tief in ihr verwurzelte Denkart Gileads, dass sie sich selbst nur noch als Gefäß sieht. (Gespiegelt durch die Rückblende, in der der Tod einer Magd billigend in Kauf genommen wird, um das Kind zu retten.) Es braucht den Blick von außen, um Serena daran zu erinnern, dass sie als Person genauso viel zählt und nicht nur das Baby, sondern auch sie selbst Rettung verdient.

Blessed be the fruit

• Ich wünschte, ich könnte die Rückblenden zeitlich besser einordnen, aber da Janines Tochter, mit der sie hier noch schwanger ist, relativ zu Beginn der Serie geboren wurde, spielen sie wohl noch vor der Serienhandlung. Ich fand es nämlich auffällig, dass sich Serena und June da noch gut zu verstehen scheinen.
• Ist das übrigens ein Kaiserschnitt, den sie da durchführen? Hat die Wissenschaft wirklich einen derartigen Rückschritt gemacht, dass es nicht möglich war, die Mutter zu retten? Gerade als Magd ist sie doch „wertvoll“, da sie weitere Kinder gebären könnte.

5 von 5 Bananen, die ihre Pflicht auf Erden erfüllt haben.

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