The Handmaid’s Tale | Motherland (5×08)

„You’re a symbol to the Resistance. You’re a domino. If you go back, others will follow. They’ll think it’s safe.“

June erhält von Lawrence ein verlockendes Angebot. Serena kämpft darum, ihren Sohn von den Wheelers zurückzubekommen. Spoiler!

Think of it as our Hong Kong: one country, two systems

Ein Monat ist seit der Geburt von Noah vergangen, der inzwischen bei den Wheelers ist, während Serena weiterhin in Haft sitzt. June ignoriert ihre Anrufe, zumal sie selbst genug um die Ohren hat, seit die Proteste gegen Flüchtlinge aus Gilead zunehmen. Das will Lawrence ausnutzen und überzeugt die Kommandanten vom Projekt New Bethlehem, einer Kolonie, in die Leute wie June zurückkehren können, um ohne die bisherigen Restriktionen Gileads zu leben. Ein Angebot, das June durchaus in Betracht zieht, weil sie dadurch Hannah wieder näher wäre. Damit setzt sie Tuello gewaltig unter Druck, denn er weiß, dass Junes Rückkehr nach Gilead symbolische Wirkung hätte.

Gilead und June am Scheideweg

Es ist mittlerweile schon fast ein Naturgesetz bei „The Handmaid’s Tale“, dass die Serie erst in der zweiten Staffelhälfte zu Hochform aufläuft. Nachdem zu Beginn viel herumgeeiert wurde, kommt nun ordentlich Bewegung in die Sache – sowohl politisch als auch persönlich. In gewisser Weise befindet sich die Geschichte nun am Scheideweg; von hier aus können sie in eine neue Zukunft steuern oder einen Rückschritt machen. Serena hat es schon zurückgeworfen, denn sie steht nun an genau der Stelle, an der June vor sieben Jahren stand.

„Canada’s sick of our refugees, and they sure as hell don’t want to keep paying for them. And that’s why I have brought you here, to New Bethlehem. A modernized, strategically liberalized island, where Gilead refugees can come home with amnesty and the promise of reuniting with long-lost family and friends.“

Der undurchschaubare Kommandant Lawrence

Joseph Lawrence war von Beginn an ein schwer zu durchschauender Charakter. Als wir ihn kennenlernten, schien er ein gebrochener Mann zu sein, fast erdrückt von der Last seiner kranken Frau, und nachlässig, was sein Personal anbelangt. Aber auch offen für das Leid, das er mit seinen Ideen verursacht hat. Emily hat davon profitiert, und am Ende auch June. Aber bei aller Sympathie für Lawrence: Die Autoren haben sich (zweifellos bewusst) stets bedeckt gehalten, wie genau sein Beitrag zur Entstehung Gileads ausgesehen hat.

„I had to use religious nutjobs as a delivery system, and I underestimated their depravity“ sagt er, als er zu erklären versucht, wie seine ursprünglichen Pläne pervertiert wurden. Doch wie diese Pläne aussahen, erfahren wir noch immer nicht. Deutlicher formuliert: Ist das Magd-System auf seinem Mist gewachsen? Und falls nein, wie wollte er die Geburtenraten nach oben treiben? (Ich erinnere mich, dass ich schon während der ersten Staffel darüber philosophierte, wie anders Gilead aussähe, wenn man den gegenteiligen Weg eingeschlagen und gebärfähige Frauen wie Königinnen behandelt hätte. Ich bezweifle irgendwie, dass Lawrence das vorhatte.)

June soll erneut ausgenutzt werden

Auch wenn es auf den ersten Blick müßig scheint, darüber zu grübeln, wie sich Lawrence Gilead einst vorgestellt hat, ist diese Frage doch entscheidend. Denn nur so können wir einschätzen, wie seine Zukunftspläne aussehen. Ist New Bethlehem nur eine Mogelpackung? Eine clever durchgeplante Marketingmasche, um mehr Frauen nach Gilead zu locken, die im Anschluss dann doch wieder versklavt werden? Was sonst hat Gilead anzubieten als den Zwang, so viele Kinder wie möglich zu kriegen?

Es ist fast Ironie, dass ausgerechnet June, die so lange Staatsfeind Nummer 1 war, nun zum zentralen „Selling Point“ wird. Denn Lawrence kann sich sicher sein: Wenn das bekannteste Opfer Gileads zurückkehrt, dann hat das Signalwirkung. Und natürlich nutzt er June schamlos aus, denn die politischen Implikationen sind ihr völlig egal, sie denkt nur an Hannah. Es ist leicht, Luke dafür zu verurteilen, dass er zögert, aber er sieht, dass seine Frau instrumentalisiert werden soll. Und zwar, ohne dass es irgendeinen Nutzen für Hannah hat, denn die soll auch weiterhin zwangsverheiratet werden.

Serena: „How? How do you go and live in a house with a woman who’s trying to steal your baby?“
June: „Are you seriously asking me that?“

Serena verliert alles

Was das Verhältnis zwischen June und Serena angeht, ist mir der Übergang von der letzten Folge ein bisschen zu abrupt. Nicht, dass ich erwartet habe, dass sie nach dieser gemeinsamen Erfahrung plötzlich Freundinnen sind. Aber ich habe das Gefühl, dass der neue Respekt, den sie füreinander entwickelt hatten, hier ohne jede Erklärung wieder verschwunden ist. Plötzlich ist es für June okay, dass Serena leiden muss, und irgendwie passt das nicht zu dem, was wir letzte Woche gesehen haben.

Auf der anderen Seite ist es erzählerisch natürlich extrem effektiv, dass Serena jetzt in fast derselben Situation steckt wie June vor sieben Jahren. Zwar verstehe ich nicht ganz, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen die Wheelers das Sorgerecht für Noah erhalten haben, aber Serena wird damit ganz offen auf die Rolle der Magd reduziert. Als sie ihren Stolz schließlich wegsteckt und in ihren Haushalt zurückkehrt, macht Mrs. Wheeler sehr deutlich, dass sie Noah zwar stillen darf, mehr aber auch nicht.

Es wird spannend, wie Serena mit ihrer neuen Situation umgeht – und welche Optionen sie überhaupt hat. June konnte am Ende fliehen, das Land verlassen, das ihr den Status als Mutter der eigenen Tochter abspricht. Rein örtlich betrachtet befindet sich Serena aber schon außerhalb Gileads und wird trotzdem nicht als Mutter von Noah anerkannt. Wohin soll sie fliehen, an wen sich wenden?

Blessed be the fruit

• Es ist auffallend, dass Mrs. Wheeler (analog zu vielen Ehefrauen in Gilead) Kinder nur als Prestigeobjekt betrachtet, die man zwar haben muss, aber eigentlich gar nicht will. An der Art, wie sie über Noah spricht, wird das ziemlich deutlich. Sie macht Serena fast Vorwürfe, weil er mit einem Monat noch so „unartig“ ist.
• Lawrence will, dass Nick und Rose mit ihrem Kind ebenfalls in New Bethlehem leben. Man stelle sich das vor, wenn June tatsächlich auch dort hinziehen sollte.

4 ½ von 5 Bananen, die in New Bethlehem sogar lesen dürften.

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