The Handmaid’s Tale | Morning (5×01)

„There can’t just be no punishment.“

June ist hin und her gerissen zwischen Erleichterung und Schuldgefühlen wegen dem Mord an Fred. Serena fürchtet um ihr Leben. Spoiler!

You know, I loved it

Nachdem sie Fred Waterford getötet hat, fühlt June zunächst überwältigende Erleichterung. Gleichzeitig planen die Frauen, die ihr geholfen haben, schon den nächsten Angriff und sind wütend, als sie einen Rückzieher macht. Weil sich ihr Gewissen meldet, stellt sich June den Behörden, wird jedoch kurz darauf wieder freigelassen. Da die Tat nicht auf kanadischem Boden passiert ist, fühlt sich die hiesige Justiz nicht zuständig. Unterdessen fürchtet Serena um ihr eigenes Leben, als sie von Freds Tod hört und Junes Handschrift darin erkennt. Beflügelt von den Mitleidsbekundungen einiger „Fans“, beschließt sie, nach Gilead zurückzukehren und Fred zu einem Staatsbegräbnis zu verhelfen.

Ein schwacher Auftakt

Ähnlich wie June in dieser Folge scheint auch die Serie selbst festgefahren. Ich weiß, dass ich zum Ende der letzten Staffel sogar recht zuversichtlich war, was die Zukunft von „The Handmaid’s Tale“ angeht, doch das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Morning“ ein vergleichsweise schwacher Auftakt ist. Vielleicht ist das nötig, vielleicht werden wir rückblickend feststellen, dass das ein Wendepunkt für June war, doch im Augenblick fühlt es sich an, als wäre die Serie geradezu von sich selbst gelangweilt.

Danielle: „Do unto others as they have done unto you.“
June: „That’s not what the Bible says.“
Danielle: „Well, that’s what my Bible says.“

Der Schmutzfleck im Leben anderer

So, was ist passiert? Interessanterweise schließt die Folge fast direkt an die vorhergehende an, als June im Bad steht und sich das Blut vom Mord an Fred abwaschen will. Nur, dass sie es nicht tut. Sie geht mit verdreckten Händen und blutigem Gesicht in ein Diner zu den anderen Frauen, sie geht sogar so zu Emily, trifft aber nur Sylvia an, die ihr sagt, dass ihre Frau zurück nach Gilead gegangen ist. In beiden Szenen gibt es Nahaufnahmen der Spuren, die sie dabei hinterlässt, einmal auf dem Saftglas und dann auf der Autoscheibe.

Man kann „The Handmaid’s Tale“ durchaus zurecht vorwerfen, dass manchmal etwas zu plakativ mit Symbolik gearbeitet wird. In diesem Fall aber fand ich das sehr effektiv, weil June bei diesen zwei Gelegenheiten vor Augen geführt wird, dass sie sprichwörtlich Flecken im Leben anderer hinterlässt. Deshalb wäscht sie sich nach dem Besuch bei Emily dann auch endlich die Hände, und zwar geradezu panisch, weil sie das Gefühl hat, für ihre Rückkehr nach Gilead verantwortlich zu sein.

Schuldlos schuldig

Kurz darauf stellt sich June der Polizei und übernimmt die alleinige Verantwortung für den Tod von Fred Waterford. Das ist vielleicht sogar die eigentliche Ironie der Geschichte, denn genauso, wie Fred straflos davonkam, hat das System auch für June wenig mehr als den erhobenen Zeigefinger übrig. Ich wäre nicht überrascht, wenn das der entscheidende Schubs ist, der Punkt, an dem sie jegliche Hoffnung verliert, dass so etwas wie Gerechtigkeit überhaupt existiert. Nicht, wenn sie einfach so herumlaufen und Leute umbringen kann.

Bemerkenswert ist, dass praktisch alle Beteiligten darin eine legitime Reaktion auf das sehen, was Fred getan hat. Luke versichert June, dass sie nichts falsch gemacht hat, dass er es verdient hatte. Die Polizeibeamtin schien nicht wirklich unglücklich darüber, dass sie June nicht verhaften muss. Und Tuello meint, sie habe getan, was getan werden musste, well done. Wenn also das Justizsystem nicht funktioniert, verfallen wir dann wieder ins biblische Auge um Auge, Zahn um Zahn? Das ist eine gefährliche Aussage.

Mark: „Mrs. Waterford, there won’t be a Canadian investigation into the matter.“
Serena: „Why? What more evidence could they need?“
Mark: „It seems the incident itself was committed in a still disputed territory between Gilead and Canada, sort of a no-man’s land. As such, June Osborne hadn’t broken any law.“

Serenas entlarvendes Selbstmitleid

Auch Serenas Denkprozesse in dieser Folge sind aufschlussreich. Zum einen fällt auf, dass sie sich immer nur an den einen schönen Moment erinnert, wenn sie an Fred denkt. All die anderen Gelegenheiten, bei denen er sie misshandelt hat, blendet sie einfach aus. Mir fehlt die Erfahrung mit Verlust und Trauer, um beurteilen zu können, ob das eine normale Reaktion ist, in jedem Fall charakterisiert es Seranas wankelmütige Persönlichkeit perfekt. Dazu passt auch, dass sie Tuello vorhält, June sei unberechenbar und zu allem fähig – wohlweislich vergessend, dass dasselbe auch auf sie selbst zutrifft.

Weit wichtiger noch: Serena lässt sich den Zuspruch ihrer kleinen Anhängerschaft zu Kopf steigen. Sie war schon immer jemand, der sehr abhängig von der Meinung anderer war, sie will gefallen und sieht sich nun als geradezu tragische Figur. Sie glaubt, dass die Reaktion in Gilead genauso ausfallen wird, doch ich frage mich, ob sie sich da mal nicht täuscht. Und die Tatsache, dass sie in Kanada unter Hausarrest steht, hat sie offenkundig auch vergessen lassen, wie ihre „Freiheit“ in Gilead aussieht.

Blessed be the fruit

• Nicks neue Ehefrau scheint eine Persönlichkeit mit Geschichte zu sein, vor allem jemand, mit dem er auf Augenhöhe reden kann. Zumindest weiß sie über June Bescheid und kannte Nicks Plan, Waterford ans Messer zu liefern.
• Wir sehen in einer Einstellung Freds Leiche, die echt übel zugerichtet ist. Waren das alles die Frauen oder wurde er in der Zwischenzeit schon von Tieren angenagt?

3 von 5 Bananen, die mit dreckigen Händen essen.

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