Westworld | The Stray (1×03)

„Just don’t forget, the hosts are not real. They’re not conscious.“

Weil ein Host seinen programmierten Pfad verlassen hat, machen sich Elsie und Stubbs auf die Suche nach dem Ausreißer. Und Bernard erfährt, dass Robert einst einen Partner hatte, dessen Ziel es war, Androiden mit einem eigenen Bewusstsein zu erschaffen. Spoiler!

Ein Host hat seine programmierte Erzählung verlassen und wandert scheinbar ziellos durch Westworld. Während Elsie und Stubbs ihm hinterherjagen, entwickelt Robert sein neues Konzept weiter und gibt Teddy endlich eine Hintergrundgeschichte. Bernard führt derweil seine Gespräche mit Dolores weiter und versucht herauszufinden, ob sie ein eigenes Bewusstsein hat – etwas, was Roberts alter Partner Arnold anstrebte, der angeblich bei einem Unfall gestorben ist.

Ich glaube, wenn es eine Serie gibt, mit der man „Westworld“ ruhigen Gewissens vergleichen kann, dann ist es „Lost“. Vieles an der Art, wie die Geschichte erzählt wird, mit ihren subtilen Hinweisen und grundsätzlichen Fragestellungen, erinnert stark an diesen Meilenstein, und so gesehen ist es vielleicht auch kein Wunder, dass mich die Serie dermaßen fasziniert. „The Stray“ gelingt die Verknüpfung verschiedener Themen eleganter als die vorherige Folge, und dass hinterher viel mehr Fragen offen sind als wir Antworten erhalten haben, nun, das macht die ganze Sache ja erst interessant.

„I think when I discover who I am, I’ll be free.“ Die Frage, die uns die Serie aufdrängen will, lautet jedenfalls: Was geschieht mit Dolores? Bei ihren Gesprächen mit Bernard hatte ich stellenweise das Gefühl, dass sie womöglich wirklich schon ein eigenes Bewusstsein hat, sich dabei aber nicht nur ihrer Situation, sondern vor allem ihrer Grenzen bewusst ist. Fakt ist, sie erinnert sich immer häufiger an Situationen aus ihrer Vergangenheit, vor allem an den Man in Black, der ansonsten in dieser Folge nicht auftritt. Zuweilen macht das fast den Eindruck von Halluzinationen, beispielsweise bei der Szene zu Beginn, als sie die Waffe in ihrer Schublade findet, bevor sie kurz darauf wieder verschwunden ist. Ich glaube, selbst Bernard kriegt es noch nicht ganz zu fassen, was in ihr vorgeht, deshalb gibt er ihr Bücher wie „Alice im Wunderland“, worin es um Veränderung geht – womöglich, um Dolores die Worte zu geben, das auszudrücken, was sie gerade erfährt. (Man sollte vielleicht erwähnen, dass Erinnerungen auch bei der Bewusstwerdung von Menschen im Kindesalter eine wichtige Rolle spielen. Diese Parallele halte ich nicht für einen Zufall.) Einen wichtigen Schritt hat sie jedenfalls getan, als sie am Ende in der Lage ist, ihre eigene Programmierung zu überschreiben und auf ihren Angreifer zu schießen.

Zumindest scheint sich zu bewahrheiten, was Elsie befürchtet hat: Das Problem, ausgelöst durch Roberts Update, breitet sich aus wie eine Krankheit. Gleichzeitig muss man sich fragen, ob uns die Wortwahl in diesem Zusammenhang nicht einen wichtigen Hinweis gibt, denn ist Bewusstsein eine Krankheit? Anfangs dachte ich noch, dass Robert das Ziel verfolgt, echte künstliche Intelligenz zu schaffen, dass also das missglückte Update mitnichten ein Unfall war. Nachdem wir nun aber von Arnold erfahren haben, seinem früheren Partner, der tatsächlich das Ziel hatte, Androiden mit Bewusstsein zu erschaffen (Sinn und Zweck des Parks dabei völlig außer Acht lassend), ist fast anzunehmen, dass irgendetwas von ihm in der Programmierung überlebt hat und nun irgendwie aktiviert wurde. Womöglich ist Dolores eine Kreation Arnolds, das würde einiges erklären.

Mit dem Ausreißer, dem titelgebenden „stray“, erhalten wir jedenfalls einen kurzen, nichtsdestotrotz schockierenden Ausblick auf das, was passiert, sollten die Hosts tatsächlich Bewusstsein erlangen. Denn bei all dem Leid, das sie durch die Gäste, zum Teil aber aufgrund der Programmierung auch durch andere Hosts erfahren, ist es kein Wunder, dass der Ausreißer am Ende den Freitod wählt. Und wenn das kein Beweis für Bewusstsein ist, dann weiß ich auch nicht.

Letzten Endes haben wir als Zuschauer dasselbe Problem wie die Besucher des Parks: Die Hosts sind so lebensecht, dass sie von Menschen praktisch nicht mehr zu unterscheiden sind. Wer also sagt uns eigentlich, dass die Leute hinter den Kulissen, die Heerscharen von Technikern, die die Hosts Tag für Tag waschen und wieder zusammenflicken, nicht ebenfalls Androiden sind? Die Theorie kursiert bereits seit der ersten Folge, doch erst jetzt habe ich mir diese Frage selbst gestellt, weil Bernards tragische Vergangenheit mit dem toten Sohn so unglaublich künstlich wirkt – eben wie eine auf dem Papier entwickelte Backstory. Es würde seine Suche nach Bewusstsein in den Hosts weitaus brisanter machen.

These violent delights have violent ends. Gäste können im Park nicht getötet werden, auf sie schießen können die Hosts aber schon. Nach wie vor interessiert mich, wie das technisch erklärt werden kann, und auch, bis zu welchem Grad Gäste durch Hosts verletzt werden können. Ich finde es irgendwie total großartig, dass sich die Prostituierten im Saloon im selben Maße an Frauen wie an Männer ranschmeißen. Ich hoffe, wir erfahren noch, warum der Ausreißer das Sternbild Orion in seine Kunstwerke geschnitzt hat.

5 von 5 Bananen im Wunderland.

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