Star Trek: Discovery | Lethe (1×06)

„In times of crisis, ignorance can be beneficial.“


Als Sarek auf dem Weg zu Verhandlungen verletzt wird, spürt Michael, dass er in Schwierigkeiten steckt, und will ihn retten. Spoiler!

My failure is his last thought

Botschafter Sarek wird auf dem Weg zu einem Geheimtreffen mit einigen Klingonen bei einem Selbstmordanschlag verletzt. Unbewusst nimmt sein Katra Kontakt zu Michael auf, die Lorca überzeugen kann, eine Rettungsmission zu starten. Um Sarek zu finden, muss Michael jedoch ihren Geist mit seinem verbinden, und während er immer und immer wieder eine Erinnerung durchlebt, von der Michael glaubt, dass sie ihr Versagen zeigt, stößt er sie vehement von sich.

Eine Folge, die für sich allein steht

„Lethe“ ist eine Folge, die mehr als jede bisherige für sich allein stehen kann, und ich muss gestehen, dass das zur Abwechslung einmal ganz angenehm ist. Wer mich kennt, weiß außerdem, dass mich die Serie im Grunde schon in dem Augenblick überzeugt hatte, als Sarek das erste Mal in einem Trailer auftauchte. Ich habe eine erklärte Schwäche für die Kultur der Vulkanier und muss meine nachfolgende Wertung vermutlich nicht näher erläutern.

Sareks menschliche Seite

Bleiben wir gleich beim zentralen Thema der Folge. In der griechischen Mythologie ist Lethe ein Fluss in die Unterwelt, aus dem die Seelen trinken, um ihr altes Leben zu vergessen, und in seinem Todeskampf wird Sarek von einer Erinnerung gequält, die er – wie sich nun zeigt – vergeblich zu vergessen versucht hat. Es war erhellend, diese zutiefst menschliche Seite von Sarek zu erleben.

Als Figur war er immer schon widersprüchlich, auch wenn er gerne behauptet, es sei eine logische Entscheidung gewesen, einen Menschen zu heiraten. (Und wie unfassbar liebenswert ist Amanda und ihr Umgang mit ihm!) Er ist von Gefühlen fasziniert, aber er nicht in der Lage, sie zu verstehen oder zu verarbeiten. Deshalb kann er Michael auch nicht die Wahrheit sagen, denn während sein Kopf sagt, dass es logisch war, Spock seinem Ziehkind vorzuziehen, fühlt er, dass er einen Fehler gemacht hat – und schämt sich dafür.

„All my life, the conflict inside me has been between logic and emotion. But now, it’s my emotions that are hiding. I think about him and I want to cry but I have to smile. And I feel angry but I want to love. And I’m hurt but there’s hope. What is this?“

Das Ende einer Lebenslüge

Was für Sarek nur ein Stachel im Gemüt, ist für Michael aber eine Lebenslüge. Sie dachte bisher, dass sie abgelehnt worden ist, weil sie nicht gut genug ist, weil sie den hohen Anforderungen der Vulkanier nicht genügt. Im Gegensatz zu Spock hat sie sich nicht freiwillig für die Sternenflotte entschieden, dieser Weg war für sie nur zweite Wahl. Ich bin gespannt, wie sich das auf ihren Charakter auswirken wird, immerhin verhält sie sich Tilly gegenüber zum Ende der Folge hin schon anders und lehnt die Mentorenrolle, die sie ihr mehr oder weniger aufgezwungen hat, ab. Aber auch das Verhältnis zwischen Michael und Sarek wird sich ändern, daran lässt sie keinen Zweifel, als sie ihn „Vater“ nennt und ihm damit zu verstehen gibt, dass er diese Rolle in ihrem Leben einnimmt, ob er das nun will oder nicht.

Vom Vergessen und Erinnern

Neben der mythologischen Deutung ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sich die Autoren auch von einem Charakter namens Lethe aus der Folge „Dagger of the Mind“ der Originalserie haben inspirieren lassen, deren Gedächtnis als Strafe für ein Verbrechen gelöscht wurde, worauf sie zu einer gänzlich anderen Person wurde. Vor allem in Bezug auf Captain Lorca ergibt das Sinn, denn bei ihm geht es gerade nicht um das Vergessen, sondern vielmehr darum, wie das Erlebte seine Persönlichkeit geformt hat.

Ich muss gestehen, ich wünschte, wir bekämen einen Einblick, wie Lorca vor dem Verlust der Buran war. Admiral Cornwell lässt anklingen, dass die Veränderung recht drastisch ist, aber wir wissen nicht, was seine Kern-Persönlichkeit ist und was nur Zweckzynismus. Zumindest bin ich wohl nicht die Einzige, die nach Cornwells Drohung, Lorca das Kommando über die Discovery zu entziehen, damit gerechnet hat, dass ihr Schiff gleich in die Luft fliegt. It’s a trap, hab ich noch so dem Fernseher zugerufen, da ward sie auch schon von den Klingonen gefangengenommen. (Und Lorca wird auf einen Schlag obrigkeitshörig und will diesmal einen direkten Befehl für die Rettungsmission, ja, ja.)

„Rules are for admirals and back offices. I’m out there trying to win a war.“

Das Rätsel um Ash Tyler

Aber nicht nur in Bezug auf Lorca darf man die Charakter-Frage stellen, insbesondere Ash Tyler gibt derzeit ja etlichen Fans Rätsel auf. Die Theorie, dass es sich bei ihm um den chirurgisch veränderten Voq handelt, entbehrt nicht eines gewissen Reizes. Zum einen hat L’Rell ihm in „The Butcher’s Knife cares not for the Lamb’s Cry“ gesagt, dass er alles wird aufgeben müssen – und was wäre für jemanden wie ihn ein größeres Opfer als der Verlust der eigenen, wohlgemerkt klingonischen Identität? (Wir haben Voq seit jener Szene übrigens auch nicht mehr gesehen.)

Zum anderen reagiert Tyler keineswegs so, wie man es von jemandem erwarten würde, der gerade aus sieben Monaten Gefangenschaft (und angeblichem sexuellen Missbrauch) befreit wurde. Aber wir sollten uns natürlich auch nichts vormachen, sein Charakter ist mit voller Absicht so angelegt, dass wir spekulieren, insofern müssen wir einfach die Augen offen halten und auf weitere Hinweise achten. (Wo ist eigentlich Lorcas Tribble, wenn man ihn mal braucht? Wir wissen doch, die mögen keine Klingonen.)

Vulkanische Extremisten

Mit den Logik-Extremisten deutet sich auch ein durchgehendes Thema an, über das ich schon nach der ersten Folge sprach, und in der Hinsicht haben diese Vulkanier einiges mit den Klingonen gemeinsam. Auch sie lehnen eine Vermischung mit anderen Völkern, namentlich den Menschen ab, um so der Verwässerung ihrer Kultur vorzubeugen. Ich kann mich im Grunde nur wiederholen, der Gedanke ist wichtig und richtig, auch wenn Multikulturalismus heute das Maß aller Dinge ist.

Stamets’ Veränderung wird gänzlich ignoriert

Sollen wir noch kurz über Stamets sprechen? Fällt eigentlich niemandem auf, dass der Mann wie ausgewechselt ist? „Hey, why not? So, we boost your neural impulses to reconnect with his katra, then pump those same signals into your noggin and … voila! Sarek-Vision.“ Kann es sein, dass die das alle ignorieren, weil sie schlicht froh sind, sich nicht mehr mit einem grantigen Wissenschaftler rumschlagen zu müssen?

Vergiss mein nicht!

• Die Shirts mit dem Schriftzug DISCO waren etwas kurios – sollen wir davon ausgehen, dass die Leute auf der Enterprise mit ENTER rumrennen?
• Holografische Kampfsimulationen? Echt jetzt? Wann sollte die Serie gleich noch mal spielen?
• „Green juice. Extra green.“
• Ist euch aufgefallen, dass sich Michael auf Vulkan die Augenbrauen rasiert hatte?
• Was ist das mit Lorca und Michael? Erst sieht es so aus, als wäre Tyler sein neuer BFF, dann sagt er ihm, er soll gar nicht erst wiederkommen, wenn Michael was passiert.
• Das grüne Blut der Vulkanier sah auch schon mal überzeugender aus, man erkennt ziemlich deutlich, dass das nur Farbe ist.
• Dass Lorca und Cornwell „friends with benefits“ sind, macht die Serie irgendwie plötzlich sehr viel echter.

5 von 5 groovy Bananen.

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