Westworld | Contrapasso (1×05)

„I imagined a story where I didn’t have to be the damsel.“

Ihre kleine Mission führt Logan, William und Dolores nach Pariah, wo sich entscheidet, ob sie nun Helden oder Bösewichter sind. Unterdessen sucht sich der Man in Black einen neuen Gefährten. Spoiler!

Nachdem der Man in Black Lawrence so lange mit sich gezerrt hat, entschließt er sich nun dazu, ihn zu töten und mit seinem „Blut“ lieber Teddy aufzupäppeln, der für seine Ziele von vermeintlich größerem Nutzen ist. William, Logan und Dolores erreichen derweil Pariah und erklären sich bereit, El Lazo (dem nun wieder zusammengeflickten Lawrence) dabei zu helfen, einen Wagen voller Nitroglycerin zu stehlen. Doch Lazo hintergeht sie, was Dolores gerade noch rechtzeitig herausfindet, um William zu warnen und mit ihm aus der Stadt zu fliehen. Und Elsie findet im Körper des Holzfällers, der sich selbst den Schädel eingeschlagen hat, einen Satellitenlink, mit dem offenbar von jemandem Daten aus dem Park gesendet wurden.

Was für eine Folge! Nachdem mich „Dissonance Theory“ letzte Woche etwas hängengelassen hatte, war die Balance zwischen Action, Information und Philosophie diesmal wieder auf den Punkt, wovon meine A4-Seite an Notizen eindrucksvoll Zeugnis gibt. Mein einziger Kritikpunkt ist und bleibt, dass die Chronologie der Ereignisse in dieser Serie undurchschaubar ist, und das mittlerweile auf derart offensichtliche Art und Weise, dass ich es fast nicht mehr für einen Schreibunfall halten kann. (Frei nach Chekhov’s Gun, wonach nur Dinge gezeigt werden sollen, die für die Story wichtig sind.)

Der für mich spannendste Part der Folge war eindeutig Pariah. Man könnte einwenden, dass Dolores’ Emanzipation etwas zu plakativ gestaltet wurde, indem sie ihr Kleid gegen Hosen tauscht, aber innerhalb des ohnehin klischeebeladenen Western-Genres scheint das verzeihlich. Denn viel bedeutender ist, dass sie sich aktiv dafür entscheidet, nicht mehr die „Maid in Not“ zu sein, sondern ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Auffällig aber bleibt, dass wir nicht mit letzter Sicherheit sagen können, ob sie ihre Programmierung selbst überschreibt oder all das bereits Teil von Roberts neuer Storyline ist. (Mein Gefühl sagt mir, das ist sie selbst, aber diese Ambivalenz ist freilich gewollt.) Überhaupt schwebt über allem mehr denn je der Geist von Arnold. Bei einem Gespräch mit Dolores (das wir interessanterweise ebenfalls zeitlich nicht einordnen können), fragt Robert sie konkret, wann ihr letzter Kontakt mit Arnold war. Sie antwortet, vor 35 Jahren, und zwar exakt am Tag seines Todes. Ich denke, wir dürfen mittlerweile davon ausgehen, dass das nicht der Wahrheit entspricht, sei es nun, weil Arnold selbst es so in Dolores einprogrammiert hat, oder weil sie bewusst lügt. Noch aufschlussreicher ist die Information, dass Arnold sie damals bat, ihm bei der Zerstörung des Parks behilflich zu sein. Robert schließt, dass sie sich weigerte, doch das ist gewiss nur ein Teil der Wahrheit. Und als er bereits gegangen ist, sagt Dolores in die Stille: „He doesn’t know, I didn’t tell him anything.“

Der Kuss zwischen William und Dolores wird die Fans ohne Zweifel spalten. Ich selbst war im ersten Moment nicht sicher, was ich davon halten soll, doch wenn man darüber nachdenkt, passt es schon ganz gut. Anders als Logan sprechen William nicht die Vergnügungen an, die der Park so offensiv anbietet. Die Schlüsselszene ist hier die Orgie, bei der er (mit Dolores) etwas genervt auf dem Sofa sitzt und definitiv so aussieht, als wäre er gerade herzlich gern ganz woanders. Nein, er verliebt sich nicht in die programmierte Dolores, sondern eben gerade in das immer wieder durchscheinende Bewusstsein, in das Unberechenbare und letztendlich Echte. Dolores auf der anderen Seite ist dabei, erstmals eigene Entscheidungen zu treffen, und William ist da sicher nicht die schlechteste.

„You know, I always thought this place was missing a real villain. Hence my humble contribution.“ Durchgängiges Thema der Folge (wenn nicht gar der Serie) ist die Unterscheidung zwischen Helden und Bösewichtern. Logan sagt an einer Stelle zu William, dass es weder das eine noch das andere gibt, und das ist eine interessante Meinung, wenn man das Western-Genre zugrundelegt, das genau von diesen beiden Archetypen lebt. Aber es ist vielleicht auch ein Ausblick, denn wenn die Programmierung erst zusammenbricht und die Hosts eigene Entscheidungen treffen können, werden sie dann die Seite der Guten oder der Bösen wählen? Selbst der Man in Black, der sich ganz offensichtlich als Bösewicht identifiziert, ist keineswegs so klar einzuordnen. Er ist rücksichtslos, das steht wohl fest, aber er handelt meiner Ansicht nach nicht aus purer Grausamkeit. Er verfolgt einfach nur sein Ziel und tut alles, was dafür notwendig ist. Auch wenn es wohl grenzwertig war, Lawrences Körperflüssigkeiten in Teddy zu transplantieren. (Können wir bitte mal darüber sprechen, was das eigentlich ist, was da durch die Körper der Hosts fließt? Der Man in Black sagt zu Teddy, es sei eine Kostenfrage gewesen, die Hosts menschlicher zu gestalten, aber sicher fließt kein echtes Blut durch ihre … ich nenn’s jetzt mal Adern.)

Fast ein bisschen viel Information für die Folge war der Satellitenlink, den Elsie findet. (Auch wenn ich mich über jeden Auftritt von Elsie freue, die Frau ist klasse!) Ihr Schluss ist, dass jemand Daten aus dem Park sendet, also gewissermaßen Industriespionage betreibt. Aber wäre es nicht auch umgekehrt möglich, dass jemand Daten in die Hosts sendet? Aber interessant ist in dem Zusammenhang auch die surreale Sequenz bei der Wahrsagerin, die zu Dolores sagt: „Perhaps you’re unraveling.“ Sie zieht daraufhin ein Stück ihrer Haut wie einen Faden ab, und zwar ebenfalls am Unterarm – wo Elsie beim Holzfäller den Satellitenlink gefunden hat.

These violent delights have violent ends. „Contrapasso“ ist ein Prinzip aus Dantes „Göttlicher Komödie“, wonach die Art der Bestrafung in der Hölle die Sünden auf Erden widerspiegelt. War Roberts Story über den Greyhound eine Allegorie für die Hosts, die mit Freiheit auch nichts anzufangen wüssten? Logans Firma weiß nur wenig über Arnold, sie haben nicht mal ein Foto von ihm. Das betrachte ich als Zeichen, dass es jemand ist, den wir bereits kennen. William und Dolores helfen Logan nicht, als er angriffen wird. Da er zuvor schon recht ernsthaft von einem Host gewürgt wurde, wiederhole ich meine Frage: Wie sehr können Hosts Gäste verletzen? Der Schutzmechanismus, als Teddy den Men in Black daran hindert, mit einem Messer auf Robert loszugehen, war beeindruckend. Maeve hat den Großteil der Folge leider nackt auf einer Liege verbracht, doch sie hat sich glaube ich den richtigen Techniker als Verbündeten ausgesucht. Extrapunkte für die Violinen-Version meines Lieblingssongs von Nine Inch Nails „Something I can never have“.

4 ½ von 5 Bananen in Hosen.

Vorherige Folge
Nächste Folge
Zurück zur Staffelübersicht