Star Trek: Deep Space Nine | A Time to Stand (6×01)

„All in all, it’s a good time for Cardassia … And the Dominion.“

Drei Monate nach dem Verlust der Station soll Sisko ein Ketracel-White-Lager im cardassianischen Raum zerstören. Spoiler!

As occupations go, this one’s not so bad

Drei Monate sind vergangen, seit die Cardassianer mithilfe des Dominions Deep Space Nine übernommen haben. Noch immer wird nach einer Möglichkeit gesucht, das Minenfeld vor dem Wurmloch unschädlich zu machen, während langsam auch die Ketracel-White-Vorräte zur Neige gehen. Doch Dukat gefällt sich in seiner neuen Rolle und spielt sich als großer Staatsmann auf. Unterdessen ist die Sternenflotte immer wieder in Scharmützel mit den Jem’Hadar verwickelt. Doch nun ist ein großer Schlag geplant: Sie wollen ein Ketracel-White-Lager im Alpha-Quadranten zerstören. Um hinter die feindlichen Linien zu kommen, sollen Sisko und seine Crew mit dem vor einem Jahr erbeuteten Jem’Hadar-Schiff fliegen.

Auftakt zu einer großen Geschichte

Was für ein Auftakt! Auch wenn ich gestehen muss, dass ich die Dynamik auf der Station wesentlich interessanter finde (vor allem das passiv-aggressive Machtspiel zwischen Dukat und Weyoun), hat die Mission von Sisko und Co. durchaus ihren Reiz. Schwer zu sagen indes, ob es Mut oder schiere Verzweiflung ist, mit einem Schiff, dessen Bedienung niemand so richtig durchschaut, in feindliches Gebiet zu fliegen. In jedem Fall ist es höchst amüsant, wie sich unsere Helden über fehlende Stühle, Sichtfenster oder Replikatoren beklagen.

Bemerkenswert ist „A Time to Stand“ aber noch aus ganz anderen Gründen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren „Star Trek“-Serien immer episodisch gewesen, mit Ausnahme gelegentlicher Zweiteiler. Bei „Star Trek: Deep Space Nine“ versuchte man hier nun erstmals, eine über mehrere Folgen laufende Handlung zu erzählen. Dieses Experiment darf mit Recht als Sternstunde des Fernsehens bezeichnet werden, ist aber auch Wurzel allen Übels bei „Star Trek“. Es brauchte anschließend Jahre (und viel Frust), bevor man sich wieder auf die episodische Erzählweise besann.

Weyoun: „The shops are reopening. The Promenade is abuzz with activity once again. The Habitat Ring echoes with the laughter of happy children.“
Damar: „I’ve doubled security patrols throughout the station.“

Alter Trott unter neuer Führung

„Things could be a lot worse“ sagt Quark an einer Stelle, und natürlich hat er recht. Was Deep Space Nine gerade erlebt, ist keine Besatzung, sondern – wenn man so will – ein Wechsel im Management. Niemand wird gefoltert oder muss Zwangsarbeit leisten. Und doch, sie alle sind ein kleines bisschen weniger frei. Das beginnt bei Odo, der zwar jeden Tag in seinem Büro sitzt, aber kein Personal hat, und endet bei Kira, die Dukats unangemessene Avancen ertragen und dabei auch noch freundlich lächeln muss, weil sie ja jetzt „alle Freunde sind“.

Vor allem für das Dominion zeigt sich mehr und mehr, dass sie die sprichwörtliche Katze im Sack gekauft haben. Jetzt haben sie die Cardassianer an der Backe, die nicht mal einen Hehl daraus machen, dass ihnen das Arrangement am Arsch vorbeigeht, so lange sie einfach wieder die Macht haben. (Der „Elan“, mit dem sie sich um das Minenfeld kümmern, ist beeindruckend.) Gleichzeitig weiß Weyoun, dass Deep Space Nine eine wichtige Signalwirkung hat. Dass  es entscheidend für die Expansion des Dominions ist, dass sich keiner der Koalitionspartner irgendwie übervorteilt fühlt.

Odo sitzt erneut zwischen den Stühlen

Odo ist dabei in einer ganz besonderen Position, und ich hoffe, dass die Serie darauf noch näher eingehen wird. Denn er sagt zwar, dass er sich – ähnlich wie schon während der cardassianischen Besatzung – als neutral betrachtet, aber es ist natürlich allen klar, dass er sehr wohl eine Seite gewählt hat. Und das ist nicht die des Dominions. Das weiß auch Weyoun, der andererseits aber nicht aus seiner Haut kann. Für ihn ist Odo per Definition ein Gott, dem er Respekt zollen muss.

Nun wird man sich im ersten Moment vielleicht fragen, wieso Odo das nicht ausnutzt. Er könnte Weyoun herumkommandieren, so viel er will, dagegen könnte nicht mal Gul Dukat etwas ausrichten. Aber genau das ist der Trugschluss, wie „A Time to Stand“ dann auch sehr deutlich macht: Sobald er diese Tür einmal geöffnet hat, kann er sie nicht mehr schließen. Ein winziger Gefallen und Odo wird Teil des „Ruling Council“, wird mithin dazu verdonnert, sich an dem zu beteiligen, was immer sich das Dominion oder die Cardassianer als nächstes einfallen lassen. Neutralität sieht anders aus.

Garak: „Well, what are our chances? Over fifty percent?“
Bashir: „Thirty-two … point seven.“
Garak: „I’m sorry I asked.“

Eine verdächtig einfache Mission

Unterdessen hat die Flotte der Föderation vor allem mit Rückschlägen zu kämpfen und einen Sieg für die Moral bitter nötig. Woran dieser Teil der Handlung für mich krankt, ist die scheinbare Leichtigkeit, mit der die Mission vonstatten geht. Sicher, sie haben Probleme, sich mit der Technik an Bord vertraut zu machen. Und sogar eine kurze, unangenehme Begegnung mit einem Sternenflottenschiff, das sie – natürlich – für den Feind hält und gleich drauflos schießt.

Aber dass sie ohne besondere Authentifikation zu dem Lager gelangen und sogar einen Vorrat an Ketracel-White bekommen, bloß weil sie nett darum bitten, das raubt der Story dann doch ein wenig die Glaubwürdigkeit. Man würde meinen, dass das Dominion seine wichtigste Ressource besser zu schützen weiß. Aber wir können gespannt sein, wie es jetzt weitergeht, denn nachdem das Schiff bei der Explosion schwer beschädigt wurde, brauchen sie Pi mal Daumen siebzehn Jahre, zwei Monate und drei Tage, um den cardassianischen Raum wieder zu verlassen. Falls ihnen vorher nicht ein paar Jem’Hadar „helfen“ wollen.

A Time to Note

• Das Jem’Hadar-Schiff, mit dem sie zum Ketracel-White-Lager fliegen, ist dasselbe, das sie in „The Ship“ geborgen haben.
• Ich krieg mich echt nicht mehr ein bei der Vorstellung, dass Worf wie ein verliebter Teenager die ganze Zeit über die Hochzeit mit Dax redet und Martok damit ein Ohr abkaut.
• Die Episode liefert ganz nebenbei die Antwort auf meine Frage aus „Doctor Bashir, I presume“: Er muss nicht mehr verbergen, dass er genetisch aufgebessert wurde. Was seltsam ist, denn sollte der Sternenflotte nicht eigentlich daran gelegen sein, keinen Präzedenzfall zu schaffen?

4 ½ von 5 Bananen, die gerne einen Stuhl hätten.

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